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REVOLUTION 909 – Wie die Zahl 909 House und Techno definierte

  • 5. Juni
  • 4 Min. Lesezeit
Die Roland TR-909. Der Name allein klingt schon wie ein Code aus der Zukunft. Dabei kam sie bereits 1983 auf die Welt - und wurde zunächst… ignoriert. Kein Verkaufserfolg, kein Gamechanger. Zumindest nicht gleich. Aber wie so oft in der Musikgeschichte dauerte es nur, bis die richtigen Leute das falsche Gerät in die Finger bekamen. Ab da war nichts mehr wie vorher.
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Es sind die Drums, die Beats, die Drums

Beats standen schon immer am Anfang. Nicht Melodien, nicht Harmonien - sondern Rhythmus, Tempo und Klangästhetik. Der Swing machte Jazz. Der Backbeat Rock. Der Funk-Groove Soul. Disco wurde zu Disco wegen dem Four-to-the-Floor.

Beats schufen Identität. Sie machten den Unterschied.


Und als die Technik elektronisch wurde, öffneten sich neue Räume: Drumcomputer, Sampler, Step-Sequencer. Beats mussten nicht mehr gespielt, sie konnten programmiert, geschichtet, verfremdet und dadurch neu gedacht werden.

Hip-Hop. House. Drum & Bass. Techno.

Nicht nur neue Sounds, sondern neue Ausdrucksformen - ermöglicht durch Maschinen, die nicht nur klangen, sondern zu einer musikalischen Sprache wurden.

Kaum ein Gerät verkörperte das so sehr wie die Roland TR-909. Sie kam 1983 auf den Markt - als Nachfolgerin der warmen, runden 808. Doch wo die 808 noch umarmte, wollte die 909 marschieren. Ihre Bassdrum war trocken, punchy, fast arrogant. Die Hats: klickig, metallisch, immer ein bisschen zu präsent. Die Clap: kein Applaus - ein Befehl. Sie war direkter, bissiger, härter. Eine kleine Schwester vielleicht - aber mit viel mehr Biss.



«Wenn House ein Körper wäre, wäre die 909 sein Herzschlag. Wenn Techno eine Stadt wäre, wäre sie ihr Stromnetz.»



Technisch war sie ein Hybrid: analoge Klangerzeugung für Kick, Snare und Toms, digitale Samples für Hi-Hats und Cymbals. Und zum ersten Mal bei Roland: MIDI. Das war 1983 noch Science Fiction für viele.

Die TR-909 war kein Zufallsprodukt, sondern das Resultat eines kleinen, visionären Entwicklerteams bei Roland. Die Leitung übernahm Tadao Kikumoto, der bereits die 808 und die TB-303 (Aciiiiiid) verantwortet hatte.

Ein entscheidender Teil des Sounds geht auf Atsushi Hoshiai zurück. Er war für die digitalen Komponenten zuständig - vor allem die Hi-Hats und Cymbals. Diese nahm er selbst von seinem eigenen Drumkit auf, in 6-Bit-Samples. Nicht «high fidelity», aber high character.

Zusammen mit dem Entwickler Yoshiro Oue, der die analogen Schaltungen entwarf, entstand so ein Hybrid, der Technik- und Musikgeschichte schrieb.



Jeff Mills = 909. "Ich begann, die Maschine anders zu betrachten. Sie wurde zu einem Instrument, das ich live spielen konnte, nicht nur programmieren."

Chicago, Detroit, Solothurn

Richtig entdeckt wurde die 909 erst, als sie second-hand günstig zu haben war. Die grossen Studios hatten schon «Besseres», die Kids in Chicago und Detroit aber wussten genau, was sie in Händen hielten. Die 909 wurde zum Sprachrohr der neuen elektronischen Bewegung. Chicago House. Detroit Techno. London Acid. Berlin Raves. Wer die Entstehung von House - und des daraus hervorgegangenen Techno - nachvollziehen will, kommt an der 909 nicht vorbei.

Pioniere wie Larry Heard, Frankie Knuckles, Juan Atkins, Kevin Saunderson, Derrick May - sie alle nutzten die 909. Nicht als Werkzeug, sondern als Instrument.

Etwas später dann: Jeff Mills. Er machte die 909, nebst seinen DJ-Künsten, zu seinem Markenzeichen - präzise, live, radikal. Seine Performances waren wie Maschinengewitter mit Seele.



«Derrick May gab mir meine erste Drum-Maschine, eine 909, und ich habe mich sofort in sie verliebt.» Frankie Knuckles (Godfather of House)



Es dauerte nicht lange, und irgendwann kam sie auch in Solothurn an. Auch hier rumpelten 909-Kicks durch Keller, Lagerhallen, Konzertsaal-Backstages und heimlich verlegte Stromkabel. Sie klangen anders. Organischer als ein Computer, maschineller als ein Drummer. Genau dazwischen - genau richtig für diesen Sound und diese Zeit.


Jeder kennt sie, selbst wenn er sie nicht kennt. Die Hats in Jeff Mills’ «The Bells». Der Groove in Laurent Garniers «Crispy Bacon». Daft Punks «Revolution 909» auf ihrem ersten (und besten) Album. Richie Hawtins aka Plastikmans Getrommel in «Spastik». Und auch eingängiger: Robin S mit «Show Me Love», Adamski mit «Killer». Wenn du’s nicht kennst: spür mal hin.


Eine Frage des Charakters und Gefühls

Wer schon mal mit einer echten 909 gearbeitet hat - oder mit einer guten Emulation - weiss: Das Ding lebt. Und sie zwingt dich, mitzudenken. Die Pattern-Programmierung ist kein DAW-Klicken. Sie ist Performance. Sie ist Entscheidung. Jede Note zählt.


Und obwohl sie streng klingt, ist sie nicht unnahbar. Wer sich auf sie einlässt, wird belohnt: mit Groove, mit Spannung, mit Charakter. Eine 909 zwingt dich, besser zu produzieren. Klarer. Tighter. Reduzierter. Sie verzeiht wenig, aber sie gibt viel.


Im Gegensatz zu heutigen Alleskönnern hat die 909 genau das gemacht, was sie sollte - und das sehr gut. Kein Reverb, kein EQ, keine 500 Presets. Einfach nur: Klang. Und der reicht.

Wenn du sie live hörst, hörst du es sofort. Die 909 schiebt nicht einfach Luft. Sie spricht ihre Sprache.




«Ich hörte die rohe Energie der Drums, die Ron Hardy im Music Box spielte - und wusste sofort: Das war die roheste Drum-Machine die ich je gehört hatte»

DJ Pierre (Acid House-Pionier)



Von der Bühne in die Geschichte

Das Original sieht man nicht mehr oft in freier Wildbahn. Heute steht sie in Museen, wird auf T-Shirts gedruckt und von Plug-ins nachgeahmt. Roland selbst hat sie in Boutique-Form (TR-09), als Cloud-Emulation und in der TR-8S wieder auferstehen lassen.


Die 909 ist nicht perfekt. Sie rauscht. Sie ist sperrig. Ihre MIDI-Sync ist zickig.

Aber wer das bemängelt, hat eh nie verstanden, worum’s geht.

Sie ist wie du und ich - hat Ecken und Kanten.

Und das Wichtigste? Sie ist mit über 40 noch immer kein bisschen leise.



Alex Pardini YES Culture







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