Fabio & Grooverider: Pioniere des Drum & Bass
- 21. Okt.
- 4 Min. Lesezeit
Wenn man über Drum and Bass spricht, führt kein Weg an zwei Namen vorbei: Fabio und Grooverider. Die beiden Londoner DJs haben das Genre nicht nur geprägt, sondern eine ganze Kultur (mit-)geschaffen, die bis heute weltweit gefeiert wird. Ihre Leidenschaft für Musik, ihre charakteristischen Styles und ihre unermüdliche Hingabe an den Sound machen sie zu lebenden Legenden – zu Symbolfiguren für Integrität, Innovation und musikalische Neugier.

Die Anfänge: Von Acid House zum Jungle
Ich selbst habe die beiden Anfang der 90er für mich entdeckt - als die erste Rave bzw. Jungle & Breakbeat Welle auf die Schweiz traf. An Raves im Flösserhof in Biberist oder im Konzertsaal Solothurn hörte ich zum ersten Mal diese gebrochenen, schnellen, rohen Beats. Am Montag danach rannte ich ins Tribe, um nach CDs und Platten zu diggen und stiess dabei (nebst anderen) natürlich auf die zwei Legenden. Fabio und Grooverider waren aber schon etwas früher unterwegs in Sachen Musik. Ende der Achtziger tauchten sie in die Acid-House-Szene Londons ein. Beide kamen aus unterschiedlichen musikalischen Richtungen – Soul, Funk, Rare Groove, Reggae, doch ihre Vision war dieselbe: Musik sollte Energie freisetzen, Menschen verbinden und Grenzen sprengen.
«Wir kamen vom Rare Groove und Funk, spielten dann House und Techno, aber irgendwann haben wir die Beats gebrochen.»
Sie gehörten zur ersten Welle von DJs, die den Underground mit House infizierten. In einem seiner Interviews erinnert sich Fabio, dass sie anfangs einfach leidenschaftliche Sammler waren, die jede Platte suchten, die anders klang. Doch bald begannen sie, ihre Sets freier zu gestalten, Breakbeats zu mischen, Tempo und Rhythmus zu verschieben und damit das Fundament für etwas völlig Neues zu legen.
„Wir kamen vom Rare Groove und Funk, spielten dann House und Techno, aber irgendwann haben wir die Beats gebrochen“, sagt Grooverider. „Wir wollten es roher, direkter. Etwas, das mehr Druck hatte.“ Diese Energie führte direkt zum Jungle – einer Mischung aus House, Breakbeat, Dub und Soundsystem-Kultur, die bald ihren eigenen Puls bekam.
Rage@Heaven: Die Donnerstag-Nacht die alles veränderte
Der endültige Wendepunkt kam mit „Rage“, der legendären Clubnacht im Londoner Heaven. Donnerstagnacht, oft bis weit nach drei Uhr früh, spielte das Duo dort alles, was sie bewegte – Acid, Techno, Breakbeat, frühe Hardcore-Tracks. Nichts war festgelegt, alles war erlaubt.
„Wir spielten einfach die rohen, instrumentalen Stücke, die uns umgehauen haben“, erinnert sich Fabio. „Die Leute sagten, das sei zu düster, zu hart, aber genau das machte es aufregend.“

Grooverider ergänzt: „Wir wollten den Sound tiefer und dunkler treiben. Niemand dachte, das würde funktionieren, aber die Tanzfläche sprach für sich.“
An den Rage Events im Heaven verdichtete sich die Essenz dessen, was später als Jungle und schliesslich Drum and Bass bezeichnet werden sollte. Die Kombination aus harten Breaks, massiven Basslines und der Energie des Rave schuf eine völlig neue musikalische Sprache. Es war der Moment, in dem eine Szene explodierte – roh, rebellisch und radikal britisch.
Evolution des Sounds
Aus Rage entstand eine Bewegung. Fabio und Grooverider formten den Sound weiter, entfernten sich von klassischem House und öffneten sich für alles, was nach vorne drängte. Es ging ihnen nie um Nostalgie, sondern immer um Entwicklung.
„Drum and Bass macht einfach, was es machen muss“, sagt Fabio. „Du musst mit der Zeit gehen.“ Beide lehnen rückwärtsgewandtes Denken ab. Für sie ist die Geschichte des Genres keine starre Vergangenheit, sondern eine lebendige Linie, die sich ständig verändert.

Über ihre jahrzehntelange Karriere sagt Fabio: „Wir machen das seit über dreissig Jahren und haben noch immer das Gefühl, dass wir nicht am Ende sind. Es gibt immer neue Ideen, neue Sounds, neue Wege, die Musik zu fühlen.“
Diese Haltung, der Glaube an Wandel, Offenheit und stetige Bewegung ist ein Grund, warum sie bis heute relevant geblieben sind.
Pirate Radio Faze 1, Kiss FM, BBC - die Verbreitung des Sounds
Lange bevor Fabio und Grooverider bei BBC Radio 1 ihre eigene Sendung bekamen, mit der sie erstmals ein Publikum ausserhalb des Undergrounds erreichten, waren die beiden auf Kiss FM zu hören und Fabio bereits mitte der 80er auf der Piratenstation Faze 1. (Pirate Radio in UK wäre einen eigenen Artikel wert). Spätestens mit der BBC-Sendungdd brachten die beiden den Sound von Clubs und Piratensendern in die Wohnzimmer der Nation. Die Show wurde zu einer Plattform für junge Produzenten und ein Tor in die Welt des Drum and Bass.
Doch selbst in diesem Mainstream-Kontext blieben sie sich treu. „Ich will einfach Musik spielen, auf die ich Lust habe“, sagt Grooverider. „Ich öffne meine Plattenkiste und spiele, was die Leute nicht erwarten. Das ist das Spannende.“
Mut und Haltung – zwei Wörter die Fabio und Grooverider gut beschreiben.
Die Gegenwart: Erfahrung, Haltung, Einfluss
Heute sind Fabio und Grooverider weit mehr als DJs. Sie sind Mentoren, Chronisten und lebende Archive einer Kultur. Nach Jahrzehnten auf Tour reflektieren sie offen über die Anforderungen des Lebens als Künstler. „Reisen, Clubs, der Druck – das alles fordert mit der Zeit seinen Tribut“, sagt Fabio. „Man muss auf sich achten, auf Schlaf, auf Ernährung, auf mentale Stärke. Viele vergessen das.“
«Wenn du älter wirst, musst du dein Tempo anpassen. Aber aufhören? Niemals.»
Grooverider ergänzt: „Wenn du älter wirst, musst du dein Tempo anpassen. Aber aufhören? Niemals.“
Diese Mischung aus Reife und Leidenschaft macht ihren Einfluss gleichbleibend stark. Sie stehen für Beständigkeit in einem Genre, das sich ständig wandelt – und sie tun es mit Würde, Humor und Engagement. Fabio und Grooverider sind sowas wie die DNA des DnB-Universums. Ihre Geschichte erzählt von Innovation, Beharrlichkeit und Liebe zum Sound. Vom Untergrundradio über Rage, BBC, Festivals und weltweiten Bühnen – ihr Weg ist die Geschichte einer Bewegung, die nie stillsteht.
Wer verstehen will, warum Drum and Bass mehr als Musik ist, sollte in die frühen Sets der beiden eintauchen, mit dem Mindset, das sich vorstellen kann, dass die gehörten Klänge zuvor noch nie existiert haben. Dort, wo der Ausdruck Drum & Bass noch gar nicht exisierte, sondern sich erst formte. Dort, wo alles begann, in den Nächten, die nicht enden wollten, und in den Beats, die zuvor nie gehört wurden und bis heute nachhallen.
Quellen:
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